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Anzeige der Artikel nach Schlagwörtern: Statuskolloquium zum Kooperationsprojekt Rotwildmanagement pro Waldumbau

Sächsische Märchenstunde - Tagung „Rotwildmanagement pro Waldumbau“ zwischen Realsatire und Bankrotterklärung

Ein Kommentar von Dr. Christine Miller, Wildbiologin und Jägerin

An einem strahlenden Wochenende im Herbst zum Thema Rotwildmanagement einen Saal zu füllen, gelingt nicht jedem. Aber die Erwartungen der Teilnehmer am Statuskolloquium zum Kooperationsprojekt von Sachsenforst und TU Dresden, veranstaltet am 23. September in Tharandt waren hoch. Doch am Ende standen mehr Fragen im Raum als (Zwischen-)ergebnisse präsentiert wurden. Und manche Tagungsteilnehmer fragten sich verwundert: „Welchen Erkenntnisgewinn soll die eingesetzte halbe Million Steuergelder des Freistaats tatsächlich bringen?“

Wissen und Wissen-wollen

Die Referenten des Vormittags sollten den Rahmen setzen für das insgesamt auf drei Jahre ausgelegte Projekt von Sachsenforst. Ulf Hohmann von der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft in Rheinland-Pfalz stellte verschiedene Methoden vor, mit denen sich vor allem Rotwildbestände erfassen lassen. Mit hohem technischen Aufwand, von DNA-Analysen bis zum Drohneneinsatz, geht zwar so manches. Aber die kritischen Fragen von Fachkollegen im Publikum zeigten auch die Grenzen. Denn Wildtiere halten sich nur selten an die engen Spielregeln, die verschiedenen Methoden setzen. Nicht jede Schlussfolgerung über den lebenden Wildbestand ist möglich und gesichert. Doch das Wichtigste: Wozu muss ich meinen Wildbestand durchnummerieren?

Dass dies nicht unbedingt notwendig ist, zeigte eindrucksvoll Olaf Simon vom Institut für Tierökologie und Naturbildung aus Hessen. Er führte an einer Fülle von Beispielen aus verschiedenen Bundesländern und Projektgebieten aus, dass zwischen der Menge an Wild in einem Gebiet und Schäden an der Waldvegetation kein Zusammenhang besteht. Bei minimaler Rotwilddichte können extreme Schälschäden auftreten und eine höhere Dichte kann durchaus mit Forstwirtschaft und Waldverjüngung harmonieren. Der Schlüssel dazu ist natürliches Äsungsangebot, wenig Störung und im Winter auch mal Äsungsergänzung zum Vermeiden von Wildschäden.

Allerdings  – so recht zu glauben schienen ihm die forstlich gestimmten Zuhörer nicht wirklich. Dafür erntete der letzte Referent des Vormittags Szenenapplaus, obwohl bis zum Schluss nicht so recht klar war, ob es sich beim Vortrag von Herrn Heute, Landschaftsgärtner aus NRW, um eine Satireeinlage oder um ein ernstgemeintes Referat handelte. Herr Heute zeigte einerseits deutliche Mängel in forstfachlichem Wissen als auch eine komplette Ignoranz in Sachen Biologie von Wildtieren. Wozu müsse man sich überhaupt mit Altersstruktur beschäftigen? Alttier und Kalb könne man ja bei Scheinwerfer-Zählaktionen eh nicht auseinander halten… Verstörend war vor allem, dass er zahlreiche, frei erfundene Behauptungen über biologische und ökologische Zusammenhänge als „alternative Fakten“ dem Publikum verkaufen wollte. Und dass Herr Heute mit seiner Fachkompetenz (oder wegen deren Fehlen) den ehemaligen NRW-Minister Remmel bei der Novellierung des Jagdgesetzes beraten hatte. Sollte das auch in Sachsen der Fall sein? Der zweite Teil der Tagung ließ nichts Gutes ahnen!

Kraftakt, aber ohne Kraft

Darin stellte Dr. Eisenhauer, Leiter des Kompetenzzentrums für Wald und Forstwirtschaft in Sachsen, die Dringlichkeit dar, mit der in Sachsen die stehenden Fichtenforste in standortgerechte und klimastabile Mischwälder, mit einem Augenmerk auf die Eberesche umgebaut werden müssen. „Das ist ein Kraftakt!“, den das Land zu vollziehen hat. Warum aber dieser Kraftakt alleine über „angepasste“ Wildbestände gestemmt werden soll, und ob es aktuell überhaupt ernstzunehmende Schwierigkeiten beim Waldumbau gibt, diese Erklärung blieb Eisenhauer schuldig, ebenso warum die Tanne als wichtige Begleitbaumart in hoher Beimischung gefordert wird. Deren Toleranz gegenüber Veränderungen im Zuge des Klimawandels inzwischen von Forstwissenschaftlern eher als gering eingestuft wird. Und auch die konsequente Vermischung von Verbiss und tatsächlicher Waldentwicklung in seinen Ausführungen belegte, dass Eisenhauer vielleicht eher gedanklich an das Feindbild Rotwild fixiert ist, statt auf die tatsächliche waldbauliche Entwicklung achtet.  Und schließlich begab er sich sogar in den Graubereich zur Aufforderung zum Begehen von Straftaten. Denn für ihn zeigen die von Jahr zu Jahr höheren Abschusszahlen auf ebenso steigende Rotwildbestände hin. „Und wenn es nicht so ist, dann muss das System ja irgendwann mal kippen!“ Nur bedeutet ein derartiges Ausrotten auf Verdacht laufende Verstöße gegen Jagd- und Tierschutzgesetz.

Kompetenz oder Karma?

Die Zwischenergebnisse des Arbeitspakets „Wildbiologie“ wurden von Frau Meißner-Hylanova von der TU Dresden vorgestellt. In insgesamt vier Forstbezirken wurden jeweils 4-5 Alttiere und Hirsche mit Telemetrie- Sendern versehen, dazu noch einige Kälber. Ausführlich und mit viel Freude am Detail zeigte Frau Meißner-Hylanova, wohin dieses Tier gezogen war und wohin jener Hirsch. Doch zu welchem Zweck man die Einstände einiger weniger Tiere im Jahreslauf verfolge, war dem Publikum nicht ersichtlich und den Projektbetreuern vielleicht auch gar nicht klar. Mit ein paar Anekdoten und einer geringen Datenbasis, auch bei der Losungs-DNA-Genotypisierung, können keine statistisch gesicherten Aussagen getroffen werden. Und ohne eine klare Fragestellung auch nicht. Auch die Durchführung der Scheinwerfer- und IR- Zählungen führen nicht wirklich zu den gewünschten Erfolgen. „Die Sichtbarkeit ist wegen der hohen Naturverjüngung und Adlerfarn teils sehr schlecht“, so Meißner-Hylanova. Den eigenen Anspruch, in diesem Projekt Aussagen zur Populationsstruktur des Rotwildes zu bekommen, mussten die wissenschaftlichen Betreuer auf Nachfrage aus dem Publikum bereits aufgeben.

Bleibt die Frage, wozu das Geld ausgegeben wird und weshalb auch die immer wieder auftretenden tierschutzrechtlich bedenklichen Zwischenfälle bei der Besenderung der Versuchstiere dann in Kauf genommen werden. Die verantwortliche Arbeitsgruppe von Prof. Roth an der TU Dresden hat die höchsten Ausfallraten bei Narkotisierung und anschließender Telemetrie bei Rotwild im Vergleich zu anderen Arbeitsgruppen in Mitteleuropa. Liegt es mangelnder Sorgfalt, an der Kompetenz oder einfach an schlechtem Karma, dass es immer wieder zu Zwischenfällen kommt?

Bleibt als Fazit der eintägigen Veranstaltung: Viel Aufwand, viel Personal, viel Steuergeld um Daten zu erheben, die keiner braucht. Denn das Ziel ist es, die Entwicklung naturnaher Wälder in Sachsen zu fördern. Der stiere Blick auf Abschusszahlen und Streckenrekorde bringt den Freistaat keinen Millimeter näher an dieses Ziel. Es bleibt der schale Geschmack, dass hier mit viel Aufwand versucht wird, einen Konflikt am Leben zu halten, statt gemeinsam eine Lösung zum Erhalt ökologisch stabiler Wälder mit allen ihren natürlichen Bewohnern zu suchen.

Dr. Christine Miller

 

Büchsenmacher

 

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