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Wilde Tiere vor der Haustür - Tierische Plagen in der Stadt

Schälschäden durch überhöhte Rotwildbestände wegen Abschussplänen mit zu geringen Abschussquoten  muss der Waldeigentümer nicht mehr hinnehmen 

 

Urteil mit Signalwirkung - Waldeigentümer klagt gegen überhöhte Rotwildbestände im Nachbarrevier und fordert die Erhöhung der Rotwildabschusspläne durch die Untere Jagdbehörde

Der Verwaltungsgerichtshof in München hat dem Anspruch eines Grundeigentümers auf höhere Abschusspläne im Nachbarrevier durch die Untere Jagdbehörde stattgegeben. Der Grundeigentümer hatte durch die überhöhten Rotwildbestände im Nachbarrevier, die durch zu geringe Abschüsse entstanden waren, erhebliche Schäden an seinen Kulturen und wollte die überhöhten Rotwildbestände nicht hinnehmen. Die Klage richtet sich gegen die zu geringen Abschusspläne der Unteren Jagdbehörde.

Hier das vollständige Urteil:

Anspruch auf Erhöhung des Rotwildabschusses im Abschussplan des benachbarten Eigenjagdreviers

Normenketten:

GG Art. 14 Abs. 1
VwGO § 42 Abs. 2, § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 4, § 125 Abs. 1, § 133, § 154 Abs. 2
BJagdG § 21 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, S. 3, S. 4, S. 5
BayJG Art. 32 Abs. 1 S. 1
AVBayJG Art. 17 Abs. 1
BayVwVfG Art. 41
AtG § 6 Abs. 2 Nr. 3, § 7 Abs. 2 Nr. 3, § 9 Abs. 2 Nr. 3
GKG § 47 Abs. 1, Abs. 2, § 52 Abs. 2
RDGEG § 3, § 5
BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

Leitsätze:
1. § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG enthält, verfassungsgemäß ausgelegt, ein subjektives Recht des Grundeigentümers auf eine Bejagung, die vor übermäßigen Wildschäden schützt. (Rn. 22)
2. Dieser Schutzanspruch besteht nicht nur gegenüber der Jagdausübung in dem Revier, zu dem das Grundstück gehört; er kann ihn auch gegen Abschussplanfestsetzungen anderer Reviere geltend machen, wenn Wild aus diesen Revieren handgreiflich auf dem Grundstück zu Schaden geht. (Rn. 30 und 32 – 33)

Schlagworte:
Antrag auf Fortsetzungsfeststellung, dass die Ablehnung, den Rotwildabschuss im Abschussplan des benachbarten Eigenjagdreviers zu erhöhen, rechtswidrig war, Frage der Klagebefugnis des Eigentümers eines Grundstücks im Gemeinschaftsjagdrevier neben dem Rotwildgebiet, räumliche Reichweite des Anspruchs auf Eigentumsschutz, Schutzanspruch, verfassungsgemäße Auslegung, Nachbarrevier

Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 24.03.2015 – RO 4 K 14.1950
Fundstelle:
BeckRS 2020, 16181

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
1  Der Kläger begehrt eine Festlegung höherer Abschusszahlen für Rotwild im Abschussplan des Eigenjagdreviers T. H., das zu einem Rotwildgebiet i.S.d. Art. 17 Abs. 1 AVBayJG gehört. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 976 der Gemarkung H. mit einer Ackerfläche von 1,4263 ha und einer Waldfläche von 13,2597 ha, das zum Gemeinschaftsjagdrevier H. Nr. I (kein Rotwildgebiet) gehört, aber an das Eigenjagdrevier T. H. der Beigeladenen angrenzt.

2  Der Abschussplan des Eigenjagdreviers T. H. für Rotwild und das Jagdjahr 2014/2015 wurde von der Inhaberin des Eigenjagdreviers am 7. Mai 2014 aufgestellt, vom Landratsamt N. am 13. Mai 2014 bestätigt und sah einen Abschuss von 900 Stück Rotwild vor, wobei von einem Wildbestand von 1.800 Stück ausgegangen wurde. Eine Bekanntgabe des Abschlussplans an den Kläger ist nicht erfolgt.

3  Mit Schriftsatz vom 20. November 2014 erhob der Kläger Klage mit dem Antrag, die Untere Jagdbehörde des Landratsamtes N. zu verpflichten, den jährlichen Rotwildabschuss - im Sinne der Petition des Klägers, der mit Landtagsschreiben vom 22. April 2013 in vollem Umfang stattgegeben worden sei - massiv zu erhöhen, dessen Vollzug anzuordnen und zu überwachen. Zur Begründung führte der Kläger aus, in seine rotwildfreien Waldflächen wechselten vom Spätherbst bis in den April hinein rudelweise Rothirsche aus dem Eigenjagdrevier und verursachten enorme Schäden. Bei Rotwilddichten von über 3 Stück/100 ha würde die Artenzahl der Baum-, Strauch- und Krautarten stark zurückgehen, während die Grasarten einen Artenanstieg zu verzeichnen hätten. Bereits bei 1,5 Stück/100 ha trete eine merkliche Vegetationsveränderung auf. Im Allgemeinen liege die tragbare Obergrenze bei 1 bis 2 Stück Rotwild. Nicht nur die Verbiss- und Schälschäden, sondern auch das faktische Fehlen von Nebenbaumarten außerhalb von Umzäunungen lasse auf einen überhöhten Rotwildbestand schließen. Innerhalb des Bundesforstes H. dürfte wohl ein Bestand von 10 bis 20 Stück Rotwild pro 100 ha gegeben sein. Allein im Waldstück des Klägers mit ca. 13 ha Fläche seien von 1993 bis 1996 ca. 400 Bäume durch Schälschäden geschädigt worden. In den Jahren 2003 bis 2006 sei dies erneut bei ca. 450 Bäumen der Fall gewesen. Innerhalb von Umzäunungen stelle sich eine Buchen-/Fichten-Verjüngung von ca. 2/3 Buche und 1/3 Fichte, gemischt mit einzelnen Tannen und Lichtbaumarten wie Kiefern, Birken, Weiden, Ebereschen, Kirschen und Elsbeeren ein. Insgesamt würden hier 13 natürlich vorkommende Baumarten gezählt. Außerhalb von Umzäunungen werde die Buchenverjüngung des Klägers jährlich mit ca. 30% bis 50% verbissen. Schattenverträgliche Baumarten wie Fichte und Tanne würden jedes Jahr vom Rotwild verbissen und würden komplett untergehen. Einzelne Fichten, die es schaffen würden, dem Äser zu entwachsen, würden, soweit sie nicht absterben, im Stangenalter durchgängig vom Rotwild geschält. Die von ihm erfassten Schäden träten allein auf einer Grenzlänge von weniger als 1.000 m zum Rotwildgebiet auf. Rotwildabschusspläne seien im Gemeinschaftsjagdrevier nicht ausweisbar, da dieses nicht zu den behördlich festgesetzten Rotwildgebieten zähle. Den Schäden könne nur wirksam begegnet werden, wenn die Abschusszahlen im Bundesforst H. deutlich erhöht würden. Angesichts der geltenden Beschränkungen könne durch Rotwildabschüsse im Gemeinschaftsjagdrevier des Klägers die erforderliche Bestandsreduktion nicht herbeigeführt werden.

4  Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Klagebefugnis erscheine nicht gegeben. Im Übrigen werde der Abschussplan kontinuierlich erhöht (Jagdjahr 2012/2013: 700; Jagdjahre 2013/2014 und 2014/2015: jeweils 900).


5  Die am 29. Januar 2015 beigeladene Bundesanstalt für Immobilienaufgaben stellte keinen Antrag.


6  Durch Zwischenurteil ohne mündliche Verhandlung vom 24. März 2015 erklärte das Verwaltungsgericht die Klage für zulässig und ließ die Berufung zu. Die bislang als Verpflichtungsklage geführte Klage betreffe den Abschussplan für das Jagdjahr 2014/2015, welches am 31. März 2015 ende. Der Kläger habe mit Schriftsatz vom 13. März 2015 angekündigt, die Klage auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit umzustellen. Auch nach Ablauf des Jagdjahres bleibe die materielle Situation (Wildschäden, Wildbestand etc.) unverändert, weshalb im Falle der Umstellung der Klage auf eine (Fortsetzungs-)Feststellungsklage das berechtigte Interesse des Klägers an einer gerichtlichen Entscheidung fortbestehe, wenn er klagebefugt sei. Die Klagebefugnis sei gegeben. Zwar sei obergerichtlich nur geklärt, dass ein Jagdgenosse im Hinblick auf § 21 Abs. 1 BJagdG und auf Art. 14 GG befugt sei, gegen einen Abschussplan in dem Jagdrevier zu klagen, in welchem sein Waldgrundstück liege (BVerwG, U.v. 30.3.1995 - 3 C 8/94 - sowie BayVGH, U.v. 7.11.1996 - 19 B 93.956). Die durch diese Vorschriften vermittelten Rechtspositionen seien nicht auf den örtlichen Geltungsbereich des Abschussplans beschränkt, in dem die betroffenen Grundstücke liegen.

7  Zur Begründung seiner Berufung vom 29. Mai 2015 führt der Beklagte aus, die in § 21 Abs. 1 BJagdG angesprochenen und unter Umständen zu einer Klagebefugnis verhelfenden „berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden“ seien zwar nach dem Wortlaut der Norm nicht auf Ansprüche von Landwirten, Forstwirten oder Fischern beschränkt, deren Grundstücke oder grundstücksbezogenen Rechte im Geltungsbereich des anzufechtenden Abschussplans liegen; der Wortlaut der Vorschrift stehe einer solchen Beschränkung aber auch nicht entgegen. § 21 Abs. 1 BJagdG sei im systematischen Kontext des Bundesjagdgesetzes zu betrachten und auszulegen. § 1 Abs. 1 Satz 1 BJagdG definiere das Jagdrecht als die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wild lebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen. In §§ 3, 4 ff. präzisiere das BJagdG dieses bestimmte Gebiet, auf dem das Jagdrecht bestehe, als Eigenjagdbezirke und Gemeinschaftsjagdbezirke. Diese Gebietsbezogenheit des Jagdrechts müsse bei der Auslegung des § 21 Abs. 1 BJagdG ihre Entsprechung darin finden, dass „berechtigte Ansprüche“ im Sinne der Norm nur Grundstückseigentümern im Geltungsbereich der betroffenen Abschussregelung zustünden und in Konsequenz dessen nur diese Grundstückseigentümer klagebefugt gegen die jeweilige Abschussregelung seien. Dieses Ergebnis werde durch die gesetzliche Regelung des Wildschadensersatzes in § 29 BJagdG untermauert. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BJagdG habe bei Beschädigung eines Grundstücks, das zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk gehöre oder einem solchen angegliedert sei, die Jagdgenossenschaft den Wildschaden zu ersetzen. Wildschäden an Grundstücken, die zu einem Eigenjagdbezirk gehören oder einem Eigenjagdbezirk angegliedert sind, seien nach § 29 Abs. 2 und Abs. 3 BJagdG gleichermaßen innerhalb des Rechtskreises des Eigenjagdbezirks zu ersetzen. Ein Anspruch auf Wildschadensersatz lasse sich nicht auf den ursprünglichen Standort des Wildes zurückverfolgen. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch bestehe somit nicht gegenüber dem Inhaber oder Jagdausübungsberechtigten des Eigenjagdreviers, sondern vielmehr im Gemeinschaftsjagdrevier, zu dem das Grundstück des Klägers gehöre. Nachdem das Gemeinschaftsjagdrevier H. Nr. I, in dem sich das Grundstück des Klägers befinde, kein festgesetztes Rotwildgebiet sei, sei es vom Jagdausübungsberechtigten dieses Gemeinschaftsjagdreviers abschussplanfrei „rotwildfrei zu machen und zu halten“ (Art. 32 Abs. 9 BayJG, § 17 Abs. 2 AVBayJG). Die Beklagtenauffassung, dem Nachbarn eines Jagdreviers stehe keine Klagebefugnis gegen dessen Abschussplan zu, werde durch den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Januar 2006 (11 UZ 1111/04 - juris), durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 24. Oktober 2002 (2 G 2314/02 - juris) sowie durch die Kommentierung von Frank/Käsewieter (das Jagdrecht in Bayern, § 21 BJagdG/Art. 32 BayJG/§§ 13-17 AVBayJG, S. 250) gestützt. Im Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs werde festgestellt, dass zu den gem. § 21 Abs. 1 BJagdG zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Belangen nicht die Abschuss- oder sonstigen individuellen Interessen eines benachbarten Jagdausübungsberechtigten gehören (juris Rn. 14). Diese Überlegung gelte gleichermaßen für individuelle Interessen eines sonstigen Grundstücksnachbarn. Die Möglichkeit, den für ein bestimmtes Jagdrevier geltenden Abschussplan anzufechten, wäre sonst, nachdem sich auch aus § 21 Abs. 1 BJagdG kein Anhaltspunkt ergebe, inwieweit der Abschussplan von Dritten angefochten werden könne, kaum mehr begrenzbar. Nach der zur Vermeidung unzulässiger Popularklagen anzuwendenden Schutznormtheorie komme es darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lasse, der sich von der Allgemeinheit unterscheide. Solche Tatbestandsmerkmale enthalte § 21 Abs. 1 BJagdG mit den Worten „dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben“. Aus der vorangestellten systematischen Betrachtung des Bundesjagdgesetzes im Gesamtkontext ergebe sich, dass sich diese Formulierung auf Grundstücke im Geltungsbereich der Abschussregelung beziehe. Die Anerkennung eines darüber hinausgehenden Drittschutzes hätte zur Folge, dass letztlich alle Grundstückseigentümer im Geltungsbereich des Bundesjagdgesetzes geschützt und klagebefugt wären, da ein brauchbares Abgrenzungskriterium zwischen zu bejahendem und zu verneinendem Drittschutz (für die Allgemeinheit) in dem Bereich außerhalb der Geltung der Abschussregelung nicht zu erkennen sei.

8 Der Beklagte beantragt,


9  das Zwischenurteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage als unzulässig abzuweisen.

10  Der Kläger beantragt,

11  die Berufung gegen das Zwischenurteil des Verwaltungsgerichts zurückzuweisen.


12  Er führt aus, er habe trotz fehlender anwaltlicher Vertretung im erstinstanzlichen Verfahren bereits die wesentlichen Aspekte seiner Klagebefugnis herausgearbeitet, vor allem mit Schriftsatz vom 13. März 2015. Ihm komme nach den Grundsätzen der von der Rechtsprechung entwickelten Möglichkeitstheorie und der Schutznormtheorie die Klagebefugnis zu. Sie resultiere aus der massiven Eigentumsbeeinträchtigung, die der Kläger in der speziellen Fallgestaltung erleiden müsse, in der seine Waldgrundstücke und landwirtschaftlichen Nutzflächen in extremem Ausmaß Wildschäden aufwiesen. Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2015 habe die Beigeladene als angrenzende Jagdausübungsberechtigte sogar selbst von einer „alarmierenden Wildschadenssituation“ gesprochen. Der Kläger sei durch den vorhandenen Rotwildbestand seit langen Jahren in der Größenordnung des bis zu 20-fachen des als hinnehmbar Eingestuften (2 Stück/100 ha) betroffen. Er mache also eine spezielle Individualbetroffenheit geltend, wie sie nach den genannten Theorien zur Klagebefugnis auch eines einzelnen Eigentümers im Gemeinschaftsjagdrevier führen könne. Der Kläger mache eine unmittelbare Eigentumsverletzung durch die angegriffene Abschussplanung geltend und trage hierzu hinreichend substantiiert Tatsachen vor, die es als möglich erscheinen ließen, dass er in seiner eigenen rechtlich geschützten Position als Wald- und Grundstückseigentümer beeinträchtigt sei. Dies genüge zur Annahme einer Klagebefugnis nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, derzufolge die Klagebefugnis nicht nur aus dem einem Grundstückseigentümer als Jagdgenossen zustehenden Jagdrecht resultiere, sondern direkt aus der Verletzung des Eigentumsgrundrechts des Art. 14 GG sowie aus der ebenfalls hochrangigen Justizgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG. Der Kläger verweist insoweit auf das Senatsurteil vom 7. Dezember 1993 (19 B 93.956), das vom Bundesverwaltungsgericht durch Revisionsurteil vom 30. März 1995 (3 C 8/94) bestätigt worden sei, inhaltlich ergänzt um den Aspekt, dass mit der Vorschrift des § 21 Abs. 1 BJagdG auch auf einfachgesetzlicher Ebene eine drittschützende jagdrechtliche Norm vorhanden sei, die neben öffentlichen Interessen auch den Individualinteressen der Waldeigentümer diene. Der vorliegende Fall unterscheide sich von dieser obergerichtlich geklärten Fallkonstellation nur dadurch, dass die betroffenen Eigentumsflächen des Klägers nicht im Bereich des angegriffenen Abschussplans lägen, sondern an diesen Bereich lediglich angrenzten. Der Blick auf ähnliche Fallgestaltungen, etwa auf die nachteilige Betroffenheit von Grundstücken, die an ein Bebauungsplangebiet grenzen, zeige jedoch, dass deswegen nicht die Klagebefugnis abgesprochen und von einer Popularklage ausgegangen werden könne. Dem nachteilig betroffenen Grundstückseigentümer, der dies hinreichend substantiiert darlegen könne, müsse - unabhängig von formalen Grenzziehungen - nach der Möglichkeitstheorie und nach der Schutznormtheorie die Klagebefugnis zugesprochen werden. Der Kläger habe sogar aufgrund der Sondersituation im Bereich des Truppenübungsplatzes H. eine ganz extreme Betroffenheit hinzunehmen, die selbst Jagdgenossen mit weiter entfernt liegenden Eigentumsflächen nicht zu erleiden hätten. Auf die Belegenheit des Eigentums nicht im Revier des angegriffenen Abschussplans, sondern an dessen Grenze außerhalb, könne es nicht ankommen, da der Kläger auf die Reviergrenzen oder den räumlichen Geltungsbereich des Abschussplans keinen Einfluss habe. Aus dem Beklagtenargument, dass der drittschützenden Norm nicht zu entnehmen sei, mit welcher räumlichen Reichweite der Drittschutz gewährt werden soll, ergebe sich, dass die Norm hinsichtlich des ihr innewohnenden Drittschutzes verfassungskonform auszulegen sei in dem Sinn, dass die formal nach historischen oder jagdpraktischen Kriterien gezogenen Jagdreviergrenzen den Drittschutz für das Waldeigentum aus § 21 Abs. 1 BJagdG nicht begrenzten. Die vom Beklagten vermisste Abgrenzung gegenüber der Allgemeinheit bestehe in der hinreichend substantiiert dargelegten Betroffenheit. Dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1995 zufolge spreche auch das jagdrechtliche Beteiligungssystem (betreffend die Aufstellung der Abschusspläne) nicht gegen eine Klagebefugnis. Demzufolge müsse ein Eigentümer, dessen Grundstücke außerhalb des Reviers liegen, erst recht den Klageweg beschreiten können, denn er habe nicht einmal die Beteiligungsmöglichkeiten, die ein Jagdgenosse im Gemeinschaftsjagdrevier habe. In der vom Beklagten zitierten Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Januar 2006 gehe es um die Klage eines benachbarten Jagdausübungsberechtigten, nicht aber eines benachbarten Grundeigentümers. Mit der Urteilsbegründung, derzufolge zwar der Grundeigentümer als Träger des Individualinteresses am Schutz vor Wildschäden die Einhaltung des Rechtssatzes, nach dem die Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirte der Abschussregelung den Rahmen setzen, verlangen können solle, für die Anerkennung eines vergleichbar drittschützenden Charakters des § 21 Abs. 1 BJagdG zugunsten eines benachbarten Jagdausübungsberechtigten jedoch jeder Anhaltspunkt fehle, werde sogar die Auffassung angedeutet, dass ein benachbarter Eigentümer nach der Logik der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts klagebefugt sein müsse. Dies könne auch mit Blick auf die einschlägige Kommentarliteratur nicht anders gesehen werden. Ihr zufolge sehe das Jagdrecht schon traditionell ein spezielles Reviernachbarrecht auf der Jägerseite vor, sodass sich die Jagdausübungsberechtigten untereinander über Abschusspraktiken koordinieren könnten und müssten. Hiermit überhaupt nicht zu vergleichen sei ein etwaiges Nachbarrecht der Eigentümerseite, das sich logischerweise nach Betroffenheiten an den Grundstücken richten müsse und solche Praktiken gar nicht ermögliche. Es liege auf der Hand, dass der Kläger unter Bezugnahme u.a. auf § 21 Abs. 1 BJagdG auch umweltschutzbezogene Bestimmungen ins Feld führen könne, wenn es um die Abwehr von übermäßigen Verbissschäden gehe. Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention (AK) sehe vor, dass die Mitglieder der Öffentlichkeit bei Handlungen von Behörden, die gegen umweltschutzbezogene Bestimmungen verstoßen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben sollten. Demgemäß müsse der Kläger - in Abweichung von der Schutznormlehre - nicht sein Individualinteresse verfolgen, auch wenn dieses natürlich im Vordergrund seines Klagebegehrens stehe. Spätestens seit dem „Braunbär“-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 (C-240/09) müssten die Gerichte die nationalen Vorschriften in Einklang mit den Regelungen der AK bringen, soweit diese nicht in EU-Recht umgesetzt worden seien. Auch wenn sich die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ausdrücklich nur auf Umweltverbände beziehe, könne für klagende Individuen schon vom Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 AK her nichts anderes gelten. In seiner Entscheidung vom 29. Dezember 2011 (3 BN 1.11) habe das Bundesverwaltungsgericht die Klagebefugnis bei geltend gemachter Schädigung des Waldbestandes durch erhöhten Wildverbiss dann anerkannt, wenn der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch eine angegriffene Rechtsvorschrift - wie vorliegend die festgesetzten Rotwildabschusspläne und erlassenen Bescheide - in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. Die Klagebefugnis könne ihm nur dann fehlen, wenn unter Zugrundelegung seines Vorbringens seine Rechte offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein könnten. Im Lichte von Art. 14 Abs. 1 GG müsse der Waldeigentümer nicht tatenlos zusehen, wenn der Bestand seines Eigentums durch ständig zunehmenden Wildverbiss entzogen werde. Demgemäß müsse dies nicht nur für Grundstückseigentümer innerhalb eines Jagdreviers oder Geltungsbereichs eines bestimmten Abschussplans gelten, sondern die Reichweite der drittschützenden Norm des § 21 Abs. 1 BJagdG aus Gründen der zwingenden Grundrechtskonformität, ergänzt um aktuelle Tendenzen der europäischen Rechtsprechung, auf jeden mit individueller spezifischer Betroffenheit ausgeweitet werden.

13  Unter dem 25. November 2015 führte der Beklagte aus, den Klägern in dem vom Senat am 7. Dezember 1993 (19 B 93.956) und vom Bundesverwaltungsgericht am 30. März 1995 (3 C 8.94) entschiedenen Verfahren habe die Eigenschaft als Jagdgenossen zur Klagebefugnis verholfen; die Eigenschaft als Grundstückseigentümer bedinge erst die Eigenschaft als Jagdgenosse. Der Hinweis des Klägers auf Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention und das diesbezügliche „Braunbär“-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 (C-240/9) verstärke eher die Bedenken des Beklagten gegen eine Klagebefugnis des Klägers. Mit den in Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention bedachten „Mitgliedern der Öffentlichkeit“ würde tatsächlich einer unbegrenzten Vielzahl von Personen Zugang zu dem verwaltungsbehördlichen Verfahren der Abschussplanung bzw. zum entsprechenden Gerichtsverfahren gewährt. Eine gerichtliche Äußerung dazu, ob § 21 Abs. 1 BJagdG als umweltbezogene Bestimmung i.S.d. Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention mit der Konsequenz einer Klagebefugnis für jegliche „Mitglieder der Öffentlichkeit“ aufzufassen sei, sei durchaus im Interesse des Beklagten. Nach der EuGH-Rechtsprechung enthalte Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention keine klare und präzise Verpflichtung, die die rechtliche Situation Einzelner unmittelbar regeln könnte, und sei es Sache der Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz des einzelnen aus dem Unionsrecht (etwa der Habitatrichtlinie) erwachsenden Rechts gewährleisten sollen. Nach den in Deutschland erlassenen Gesetzen zur Umsetzung der Aarhus-Konvention stünden Rechtsbehelfe gegen umweltrelevante Vorhaben nur anerkannten oder anzuerkennenden Vereinigungen zu, nicht aber jedermann (§ 2 UmwRG), also auch nicht Privatpersonen wie dem Kläger.

14  Unter dem 16. Juni 2020 hat der Kläger im Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht beantragt festzustellen, dass der Abschussplan für Rotwild des Jagdjahres 2014/2015 für das Eigenjagdrevier T. H. rechtswidrig war bzw. ist. Dieser (bereits früher angekündigte) Antrag werde gestellt, weil das Jagdjahr 2014/2015 verstrichen sei, jedoch ein Rehabilitations- oder Amtshaftungsinteresse bestehe und vor allem eine Wiederholungsgefahr im Hinblick darauf, dass sich die im Antrag genannte Problematik ständig wiederhole.


15  Im Übrigen wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

16  Über die Berufung konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil alle Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§§ 101 Abs. 2, 125 Abs. 1 VwGO).

17  Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Zwar ist der Abschussplan, dessen Abänderung (unter Festlegung höherer Abschusszahlen) der Kläger erstinstanzlich begehrt hat, am 30. März 2016 ausgelaufen, sodass eine Erledigung des Rechtsstreits (mit der Folge der Unwirksamkeit des angefochtenen Urteils, vgl. § 173 VwGO, § 269 Abs. 3 ZPO analog) in Betracht gekommen wäre. Jedoch hat der Kläger seinen ursprünglichen Antrag auf einen (ebenfalls seine Klagebefugnis voraussetzenden) Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt. Er hat beantragt festzustellen, dass der Abschussplan für Rotwild des Jagdjahres 2014/2015 für das Eigenjagdrevier T. H. (wegen zu niedriger Abschusszahlen) rechtswidrig war bzw. ist, womit er offensichtlich den Antrag auf Fortsetzungsfeststellung zum Ausdruck bringen will, dass die Ablehnung seines Antrags, den Abschussplan unter Festlegung höherer Abschusszahlen abzuändern, rechtswidrig gewesen ist. Der Kläger besitzt angesichts der jährlichen Aufstellung von Rotwild-Abschussplänen (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AVBayJG) offensichtlich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse, das nach der (auf Verpflichtungsbegehren entsprechend anwendbaren) Bestimmung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO für einen solchen Fortsetzungsfeststellungsantrag erforderlich ist. Bei dieser Sachlage kann für das hiesige Berufungsverfahren betreffend die Klagebefugnis offenbleiben, ob tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist, oder ob der Rotwildabschussplan 2015/2016 noch Wirkungen hat.

18  Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger trotz der Belegenheit seines Grundstücks außerhalb des Eigenjagdreviers T. H. die Klagebefugnis für seinen Antrag auf behördliche Verpflichtung zur Festsetzung eines umfangreicheren Rotwildkontingents im Abschussplan dieses benachbarten Eigenjagdreviers zusteht (und kann hiervon nun auch im Rahmen seiner Entscheidung über das Fortsetzungsfeststellungsbegehren des Klägers ausgehen).

19  Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage grundsätzlich nur dann zulässig, wenn der Kläger geltend macht, dass er möglicherweise durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt wird. Auf der Grundlage der herrschenden Schutznormtheorie (vgl. BVerfG, B.v. 17.12.1969 - 2 BvR 23/65 - BVerfGE 27, 297/307; BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BVerwGE 52,122, juris Rn. 5, v. 17.6.1993 - 3 C 3.89 - BVerwGE 92,313, juris Rn. 31, v. 16.3.1989 - 4 C 36.85 - BVerwGE 81, 329/334 sowie v. 16.6.1994 - 3 C 12.93 - NJW 1995, 1628, juris Rn. 22 ff.; vgl. auch Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 25) vermitteln Drittschutz nur solche Vorschriften, die nach dem in ihnen enthaltenen, durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm auch der Rücksichtnahme auf die Interessen des betreffenden Dritten dienen. Ob und in welchem Umfang die einzelne Rechtsnorm dem Kläger ein subjektives Recht nach diesem Maßstab vermittelt, ist durch Auslegung in Ansehung der Grundrechte und sonstigen verfassungsmäßigen Rechte zu ermitteln. Greift staatliches Handeln in den Schutzbereich eines Grundrechts ein, ist im Zweifel den einschlägigen Normen des einfachen Rechts ein subjektiv-rechtlicher Gehalt zuzuerkennen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 89 ff. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

20  Nach dem Vorbringen des Klägers ist es möglich, dass er durch die streitgegenständliche Abschussplanfestsetzung in einem subjektiven Recht verletzt worden ist.

21  1. § 21 Abs. 1 BJagdG vermittelt dem Kläger als Grundeigentümer im Rahmen der Abschussplanung ein subjektiv-öffentliches Recht. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Klagebefugnis des Jagdgenossen auf Erhöhung der Abschusszahlen in einem Abschussplan für den gemeinschaftlichen Jagdbezirk (1.1) ist auf Eigentümer übertragbar, deren Grund außerhalb des Abschussplanfestsetzungsgebiets liegt (1.2).

22  1.1 Ein Jagdgenosse kann auf Erhöhung der Abschusszahlen in einem Abschussplan für den gemeinschaftlichen Jagdbezirk klagen, weil ihm als Waldeigentümer § 21 Abs. 1 BJagdG ein subjektiv-öffentliches Recht im Rahmen der Abschussplanung vermittelt und ihm sonst keine Möglichkeit zum Schutz seines Grundeigentums vor abschussplangebundenen Wildarten zur Verfügung steht (BVerwG, U.v. 30.3.1995 - 3 C 8/94 - juris). Zwar versagen die jagdrechtlichen Bestimmungen ein solches Klagerecht (1.1.1). Der Aspekt des Ausschlusses des Grundeigentümers vom Abschussplanverfahren kann jedoch durch Auslegung des § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG korrigiert werden (1.1.2).


23  1.1.1 Die jagdrechtlichen Bestimmungen versagen dem Grundeigentümer ein Klagerecht (und auch ein Beteiligungsrecht) hinsichtlich des Abschussplans seiner eigenen Jagdgenossenschaft (und somit erst recht hinsichtlich des Abschussplans eines Jagdreviers, das - wie im Falle des Klägers - seinen Grundbesitz nicht erfasst, sondern diesem benachbart ist).

24  Nach dem Bundesjagdgesetz ist an der Abschussplanaufstellung der Jagdbeirat zu beteiligen und im Gemeinschaftsjagdrevier der Jagdvorstand des Gemeinschaftsjagdreviers sowie - in Jagdrevieren, die einer Hegegemeinschaft angehören - die Inhaber der Eigenjagdbezirke und die anderen Jagdvorstände der Hegegemeinschaft (§ 21 Abs. 2 Sätze 1 und 3 BJagdG). Die einzelnen Jagdgenossen (Grundeigentümer) erwähnt das BJagdG in diesem Zusammenhang nicht. Dementsprechend ist auch nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayJG nur der Jagdvorstand - der gesetzliche Vertreter der Jagdgenossenschaft (§ 9 Abs. 2 S. 1 BJagdG) - zu beteiligen, nicht aber der einzelne Jagdgenosse (Grundeigentümer), sodass letzterem der Abschussplan auch nicht bekanntzugeben ist (vgl. Art. 41 BayVwVfG). Aus § 15 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes - AVBayJG - ergibt sich nichts anderes.

25  Zwar ist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG der Abschuss des Wildes so zu regeln, dass u.a. die berechtigten Ansprüche der Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben und ergibt sich dasselbe aus dem Hegegrundsatz des § 1 Abs. 2 Satz 2 BJagdG. Nach dem Konzept des Bundesjagdgesetzes sind diese rahmenrechtlichen Vorschriften jedoch nicht dazu bestimmt, den subjektiven Rechten der Jagdgenossen zu dienen. Bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 1995 (3 C 8/94, juris; das BVerwG schließt sich hier weitgehend dem U.d. BGH v. 22.5.1984 - III ZR 18/83 - NJW 1984, 2216 ff. an) ist allgemein nicht von einem subjektiven Recht des kleinen Grundeigentümers auf jagdlichen Eigentumsschutz ausgegangen worden. Ein solches Recht ist bis dahin nicht thematisiert worden (vgl. etwa Lorz, BJagdG, 1980, § 21, Erl. 2.B). Mitzschke/Schäfer haben zwar in der 4. Auflage (1982) ihres Kommentars zum Bundesjagdgesetz auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hingewiesen, derzufolge es der Jagdbehörde als Amtspflicht gegenüber den Grundstückseigentümern obliegt, die Wildschadenssituation bei der Abschussplanung zu berücksichtigen (BGH, U.v. 22.5.1984 - III ZR 18/83 - NJW 1984, 2216 ff.), und es für erforderlich gehalten, dass „die beteiligten Grundbesitzer (…) ihre besonderen Interessen bei der Aufstellung des Abschussplanes“ wahren können. Sie haben aber auch in diesem Zusammenhang lediglich den Jagdvorstand sowie die Möglichkeit erwähnt, diesen zu einer bestimmten Haltung im Rahmen der Aufstellung des Abschussplans zu verpflichten, was allerdings einen Mehrheitsbeschluss i.S.d. § 9 Abs. 3 BJagdG voraussetze (§ 21 Anm. 8). Bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 1995 ist - soweit ersichtlich - von keinem Jagdgenossen ein Rechtsanspruch auf Abschussplanfestsetzungen gerichtlich geltend gemacht worden, durch die übermäßigen Wildschäden vorgebeugt wird. Auch im Preußischen Jagdgesetz 1934, das erstmals Abschussplanregelungen der heute noch geltenden Art enthalten hat (§ 42), und im Reichsjagdgesetz 1934 (§ 37), das Vorbild des Bundesjagdgesetzes gewesen ist, ist eine Beteiligung des Jagdgenossen (kleinen Grundeigentümers) nicht vorgesehen gewesen.

26  1.1.2 Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 30. März 1995 aufgezeigt hat, kann aber dieser spezielle, in den jagdrechtlichen Vorschriften nicht positiv formulierte Aspekt des Ausschlusses vom Abschussplanverfahren durch Auslegung des § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG als eine Bestimmung, die nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern auch den Individualinteressen des kleinen Grundeigentümers dient, korrigiert werden.

27  Zwar ist die Formulierung „berechtigte Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden“ entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 30. März 1995 kein belastbarer Anhaltspunkt für ein solches Verständnis der Bestimmung, denn sie ist Teil des Ausschlusses des Grundeigentümers vom Abschussplanverfahren (und von der Jagdausübung im Allgemeinen), den der Gesetzgeber bis heute nicht beseitigt hat, und wird ein solches Verständnis auch nicht durch die Regelung des § 27 Abs. 1 BJagdG gestützt (weil die Norm ebenfalls Teil des gesamten Ausschlusses und zusätzlich nach ganz überwiegender Meinung nur in notstandsähnlichen Situationen anwendbar ist < Hessischer VGH, U.v. 28.7.1977 - V OE 12/77 - Agrarrecht 1978, 112; VG Karlsruhe, B.v. 5.6.2008 - 2 K 1462/08 - JE VI Nr. 69; Nr. 3 der bayerischen Richtlinie zum Vollzug des § 27 BJagdG zur Verhinderung übermäßigen Wildschadens durch Schalenwild, BayStMinELF, Bek.v. 20.9.1987, LMBl S. 315; Mitzschke/Schäfer, BJagdG, 4. Aufl. 1982, § 27 Anm. 3; M. Schuck in Schuck, BJagdG, 2. Aufl. 2015, § 27 Rn. 4; Metzger in Lorz/Metzger/Stöckel, Jagdrecht/Fischereirecht, 4. Aufl. 2011, § 27 BJagdG Rn. 3; Käsewieter in Frank/Käsewieter, das Jagdrecht in Bayern, Erl. zu § 27 BJagdG >), auch wenn die Grundrechtsargumentation des Bundesverwaltungsgerichts auf § 27 BJagdG übertragbar ist (zur Parallelität von § 21 BJagdG und § 27 BJagdG vgl. BGH, U.v. 22.4.1974 - III ZR 21/72 - Rn. 16).

28  Nachdem jedoch nicht diese Auffassungen des Bundesverwaltungsgerichts, sondern die (mit vom Reichsjagdgesetz abweichenden eigenständigen Regelungsbeiträgen des Bundesgesetzgeber begründete) grundrechtsgestützte Argumentation die maßgebliche Grundlage dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bildet, wird die Entscheidung durch die Unrichtigkeit der genannten Annahmen nicht in Frage gestellt. Der Gesetzgeber hat trotz grundsätzlicher Beibehaltung des Ausschlusses des Grundeigentümers vom Abschussplanverfahren (und von der Jagdausübung im Allgemeinen) durch mehrere Abweichungen vom Reichsjagdgesetz die Grundeigentümerrechte etwas stärker betont bzw. das Jagdinteresse etwas zurückgesetzt. Durch die gesetzliche Anordnung, die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden „voll“ zu wahren, hat sich der dem Grundgesetz verpflichtete Bundesgesetzgeber vom Reichsjagdgesetz entfernt, das in § 37 Abs. 1 Satz 1 lediglich von einer (nicht näher spezifizierten) Wahrung solcher Ansprüche gesprochen hatte. Mit der Bestimmung des § 1 Abs. 2 BJagdG, wonach die Hege so durchgeführt werden muss, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden, hat sich der dem Grundgesetz verpflichtete Gesetzgeber von der Hegedefinition im Reichsjagdgesetz entfernt, die eindimensional auf das Jagdinteresse abgestellt gewesen ist (§ 4 Satz 2 RJagdG: Der Jäger hat das Recht und die Pflicht, das Wild zu hegen) und die Interessen der Bodeneigentümer und speziell das Interesse an der Vermeidung von Wildschäden noch in keiner Weise erwähnt hat. Auch die Umformulierung des § 1 Abs. 2 BJagdG durch das Zweite Jagdrechtsänderungsgesetz (v. 29.9.1976, BGBl I S. 2849) hat dem Zweck gedient, den im Bundesjagdgesetz von Anfang an verankerten Vorrang der ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung gegenüber der Hege noch klarer herauszustellen (vgl. die Begründung des 10. Ausschusses - BT-Drs. 7/5471 S. 3 - für seinen dann Gesetz gewordenen Änderungsvorschlag). Schließlich hat der Gesetzgeber die Gewichte zu Gunsten des auf Grund und Boden angewiesenen Personenkreises verschoben, indem er in § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG die Ansprüche an die Qualität des Wildbestandes, die notwendigerweise mit den Wildschäden korrelieren, etwas eingeschränkt hat. Seit dem Zweiten Jagdrechtsänderungsgesetz bezieht sich das Ziel, einen gesunden Wildbestand zu erhalten, nicht mehr (wie in § 37 Abs. 1 Satz 2 RJagdG festgelegt und zunächst in § 21 Abs. 1 BJagdG übernommen) auf die „einzelnen Stücke“ des Wildbestandes.

29  Auch den Jagdzielen der Landesgesetzgebung kommt Bedeutung zu, weil das Bundesjagdgesetz als Rahmengesetz nach Art. 75 GG (Ursprungsfassung) erlassen worden ist und durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 28 GG i.d.F.d. Föderalismusreform 2006 (G.v. 28.8.2006, BGBl I S. 2034) der konkurrierenden Gesetzgebung neuer Fassung zugeordnet worden ist. Nachdem der Freistaat Bayern bereits den Schutz und die Pflege des Waldes zum Verfassungsziel erhoben (Art. 141 Abs. 1 Satz 4 Spiegelstrich 3 BV) und den Vorrang der natürlichen Waldverjüngung bei der Abschussplanung vorgeschrieben hatte (Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG in der seit dem 1.9.1987 geltenden Fassung - GVBl S. 246), hat er die durch § 1 des Bundeswaldgesetzes gestützte Sichtweise des Bundesverwaltungsgerichts in der Entscheidung vom 30. März 1995 (U.v. 30.3.1995 - 3 C 8/94) und des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 22. Mai 1984 (III ZR 18/83 - NJW 1984, 2216 ff.) noch einmal unterstrichen. Er hat durch Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bayerischen Jagdgesetzes i.d.F.d. Gesetzes vom 9. Mai 2005 (BayRS 792-1-L) das Ermöglichen der natürlichen Waldverjüngung ausdrücklich zum Jagdziel erklärt und in Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 des Bayerischen Waldgesetzes vom 22. Juli 2005 (GVBl S. 313) den Grundsatz „Wald vor Wild“ verankert.

30  1.2 Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Klagebefugnis des Jagdgenossen auf Erhöhung der Abschusszahlen in einem Abschussplan für den gemeinschaftlichen Jagdbezirk ist auf Eigentümer übertragbar, deren Grund außerhalb des Abschussplanfestsetzungsgebiets liegt. Die Bestimmung des § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG betrifft nicht nur das Verhältnis zwischen dem Jagdausübungsberechtigten und dem Grundeigentümer in seinem eigenen Jagdrevier.

31  Eine Unübertragbarkeit der Rechtsprechung ist weder der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen noch ist sie aus anderen Gründen ersichtlich.

32  Der Schutzanspruch in Abs. 1 Satz 1 des § 21 BJagdG ist zwar den Abschussplanvorschriften in diesem Paragraphen vorangestellt, gilt jedoch nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht nur für das abschlussplanpflichtige Wild und auch nicht nur für das Revier des Schutzsuchenden. Im Übrigen ist dieser Schutzanspruch auch der Hegebestimmung des § 1 Abs. 2 Satz 2 BJagdG zu entnehmen, die nicht zum Kontext der Abschussplanregelung gehört und für die gesamte Jagdausübung gilt. Der Anspruch auf eine Jagdausübung, durch die übermäßigen Wildschäden vorgebeugt wird, ist auch nicht auf das Revier beschränkt, zu dem der Anspruchsteller gehört (der Anspruch auf einen bestimmten - hohen - Wildbestand kann nicht gegenüber der Jagdausübung im Nachbarrevier erhoben werden, weil es einen solchen Anspruch grundsätzlich nicht gibt, vgl. Hessischer VGH, B.v. 5.1.2006 - 11 UZ 1111/04 - NVwZ-RR 2006, 436; JE VI Nr. 63; juris Rn. 9 ff.). Die in § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG genannten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden sind auch dann berechtigt, wenn das betroffene Grundstück außerhalb des Reviers liegt, in dem das schädigende Wild seinen Einstand hat. Der Jagdausübungsberechtigte ist verpflichtet, durch die Bejagung des Wilds in seinem Revier dafür zu sorgen, dass es aufgrund dieses Wildbestands nirgends zu übermäßigen Wildschäden kommt (in diesem Sinn - die spätfeudale Jagd betreffend und beschränkt auf den Wildschadensersatz - bereits PrALR 1794, 1. Teil, IX. Titel, §§ 144-146). Die örtliche Unbeschränktheit dieser Verpflichtung folgt aus der Verantwortlichkeit desjenigen, der die Herrschaft über einen potentiell gefährlichen Sachverhalt ausübt. Auch die Verpflichtung, Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass es nicht zu vermeidbaren schädlichen Umwelteinwirkungen kommt (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG), und die Verpflichtung, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch Kernbrennstoffe zu treffen (§§ 6 Abs. 2 Nr. 3, 7 Abs. 2 Nr. 3, 9 Abs. 2 Nr. 3 AtG), sind nicht auf das Gebiet des jeweiligen Vorhabens, den Zuständigkeitsbereich einer genehmigenden Behörde oder in sonstiger Weise räumlich begrenzt. Zwar wird es häufig schwierig sein, einen konkreten Wildschaden dem Wildbestand des einen oder des anderen Reviers zuzuordnen. Ein Abgrenzungskonzept ist jedoch der bereits erwähnten Schutznorm-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen, derzufolge die zur Bewertung einer Norm als Schutznorm erforderliche Individualisierung und Eingrenzung auch im Falle einer handgreiflichen Betroffenheit gegeben ist (BVerwG, U.v. 25.2.1977 - IV C 22.75 - BVerwGE 52,122, juris Rn. 28 a.E.).

33  In Übereinstimmung hiermit hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 22. Mai 1984, auf das sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 30. März 1995 bezieht, nicht nur die Verpflichtung des Jagdausübungsberechtigten festgestellt, die Grundstücke in seinem eigenen Jagdrevier vor übermäßigen Wildschäden zu schützen. Im BGH-Urteil wird - in Anlehnung an das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme (im hiesigen Berufungsverfahren nimmt der Kläger hierauf Bezug) - darauf hingewiesen, dass „im Hinblick auf den (…) Wandertrieb des Rotwilds selbst die zu niedrige Festsetzung des Abschusses für ein benachbartes Revier enteignungsgleich in das Waldeigentum eingreifen (kann), soweit das betroffene Revier von der Festsetzung im Nachbarrevier gewissermaßen ´handgreiflich betroffen' ist“ (Rn. 42 a.E.).

34  2. Nach dem klägerischen Vorbringen erscheint die Verletzung der drittschützenden Norm des § 21 Abs. 1 BJagdG möglich.

35  2.1 Es ist ernsthaft in Betracht zu ziehen, dass der Anspruch des Klägers aus § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG deshalb durch den Abschussplan des benachbarten Rotwildreviers verletzt wird, weil in diesem die Zahl der Rotwildabschüsse zu niedrig angesetzt ist. Der Kläger hat sowohl die Anwesenheit von Rotwild (das nur im Nachbarrevier zulässig ist) auf seinem Grund sowie erhebliche rotwildspezifische Schäden substantiiert dargestellt und der Beklagte hat dies nicht in Zweifel gezogen.

36  2.2 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass einem Schutzanspruch aus § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG gegen den Jagdausübungsberechtigten eines anderen Jagdreviers der grundsätzliche Schutzanspruch gegen den Jagdausübungsberechtigten des eigenen Jagdreviers nicht entgegen steht.

37  Der Kläger hat insoweit substantiiert vorgetragen, dass der Jagdausübungsberechtigte des Gemeinschaftsjagdreviers, in dem sein Grundstück liegt, wegen Beschränkungen der Jagdausübung nicht die Schäden verhindern kann, die durch die Zuwanderung von Wild aus dem Rotwildrevier entstehen.

38  Im Übrigen obliegt dem Jagdausübungsberechtigten des Gemeinschaftsjagdreviers des Klägers insoweit keine primäre, sondern allenfalls eine subsidiäre Verpflichtung.

39  Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs steht seit längerem fest, dass die überkommene Auffassung unrichtig ist, ein Jagdausübungsberechtigter könne frei entscheiden, ob er einen überhöhten Wildbestand reduziert oder aufrecht erhält, und dass bei der Bestimmung des Umfangs der Schutzverpflichtung aus § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG ein überhöhter Wildbestand, der außerhalb des Reviers des Jagdausübungsberechtigten handgreifliche Wirkungen zeitigt, nicht unberücksichtigt bleiben kann. Dies gilt auch deshalb, weil die Verpflichtung, durch die Bejagung dem Anspruch auf Schutz gegen Wildschäden voll gerecht zu werden, besonders im Falle überhöhter Wildbestände im Nachbarrevier eine erhebliche Belastung für den Jagdausübungsberechtigten darstellen kann, eine Kündigung des Jagdpachtvertrages zur Folge haben kann und eine Neuverpachtung unmöglich oder unwirtschaftlich machen kann. Sie kann Revierinvestitionen erforderlich machen, an deren Aufbringung sich die Jagdgenossen - darunter der Kläger - ggf. beteiligen müssen (vgl. Art. 11 Abs. 3 BayJG). Nach den zum Störerbegriff entwickelten Grundsätzen ist der Jagdausübungsberechtigte grundsätzlich nicht verpflichtet, durch seine Bejagung auch solche Schäden zu verhindern, die im eigenen Gemeinschaftsjagdrevier durch (aufgrund des Vakuumeffekts typischerweise) zuwanderndes Wild aus anderen Jagdrevieren mit überhöhtem Wildbestand entstehen. Die vom Beklagten betonte Revierbezogenheit des Wildschadensersatzanspruchs nach § 29 BJagdG korrespondiert mit dieser Pflichtenlage; gerade weil der Jagdausübungsberechtigte bei der Bejagung nicht nur seine eigenen Interessen verfolgen darf, sondern - gerichtlich überprüfbar - dem Schutzanspruch des § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG revierübergreifend Rechnung tragen muss, bedarf es keines revierübergreifenden Wildschadensersatzanspruchs. Der überhöhte Wildbestand besteht im Nachbarrevier; der dortige Jagdausübungsberechtigte ist wegen der Ausschließlichkeit seines Jagdausübungsrechts zur Erfüllung der Ziele in § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG verantwortlich. Dies zu berücksichtigen ist zunächst Aufgabe der dort zuständigen Jagdbehörde. Handelt sie nicht oder zögerlich, kann der betroffene Grundeigentümer den Anspruch aus § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG hinsichtlich des Abschussplans des Nachbarreviers geltend machen.

40  3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i.V.m. § 167 Abs. 1 und 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht dem Kläger aus Billigkeit aufzuerlegen, nachdem die Beigeladene das Kostenrisiko i.S.d. § 154 Abs. 3 VwGO nicht übernommen hat.

41  Die Revision ist nicht zuzulassen, da die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache im Hinblick auf die zitierte obergerichtliche Rechtsprechung, der zufolge die zur Bewertung einer Norm als Schutznorm erforderliche Individualisierung und Eingrenzung auch im Falle einer handgreiflichen Betroffenheit gegeben ist, keine grundsätzliche Bedeutung.

Quelle: VGH München Gesetze Bayern.de

Freigegeben in Pressemitteilungen

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 22. Dezember  2020 – 7 B 11/20 –, juris

Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Einziehung des Jagdscheins wegen nicht fachgerechter Nachsuche; Entziehung der waffenrechtlichen Erlaubnis

Die Entscheidung in voller Länge

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht 7. Kammer
Entscheidungsdatum: 22.12.2020
Aktenzeichen: 7 B 11/20
ECLI: ECLI:DE:VGSH:2020:1222.7B11.20.00
Dokumenttyp: Beschluss
Quelle:  Normen: § 80 Abs 5 VwGO, § 17 BJagdG, § 18 BJagdG, § 22a BJagdG, § 27 BJagdG

Zitiervorschlag: Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 22. Dezember
2020 – 7 B 11/20 –, juris
Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Einziehung des Jagdscheins wegen nicht fachgerechter
Nachsuche; Entziehung der waffenrechtlichen Erlaubnis

Orientierungssatz
1. Eine jagdrechtliche Unzuverlässigkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn ein Jagdleiter es unterlässt, bei einer Ansitzdrückjagd brauchbare Jagdhunde zu organisieren, nachdem er Kenntnis von mindestens einem krankgeschossenen Jagdwild erhalten hat, und dadurch die fachgerechte Nachsuche nach zwei Stück krankgeschossenem Schwarzwild vereitelt hat.(Rn.9)(Rn.10)Ein solcher Verstoß ist in der Regel gröblich, wenn ein getroffenes Tier aufgrund
der zu spät in die Wege geleiteten Nachsuche gar nicht gefunden werden konnte und eine andere laufkranke Sau erst später gefunden und von ihren Qualen erlöst werden konnte die Gesellschaftsjagd ohne die erforderliche Anzahl an Nachsucheführern mit Hunden überhaupt  nicht hätte durchgeführt werden dürfen.(Rn.11)

2. Ein jagdrechtlicher Verstoß liegt auch dann vor, wenn es der Jagdleiter unterlässt, bei anderen erforderlichen, schwierigen Nachsuchen, insbesondere für die Nachsuche auf Schalenwild, keinen für die Nachsuche brauchbaren Jagdhund einzusetzen, sondern solche Nachsuchen mit einem unbrauchbaren Hund vorgenommen hat.(Rn.14)

3. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Hierzu zählt auch das fehlende Bedürfnis.(Rn.30) Ein waffenrechtliches Bedürfnis kann grundsätzlich bei Inhabern eines gültigen Jagdscheines bestehen.
Dieses kann aber entfallen, wenn eine Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheines unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgt ist, die offensichtlich rechtmäßig ist.(Rn.31)

4. Die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitzen u.a. in der Regel solche Personen nicht, die Rechtsverletzungen auf dem Gebiet des Bundesjagdgesetzes begehen. Dass diese nicht sanktioniert wurden, ist in der Regel unerheblich. Der Verstoß muss lediglich wiederholt oder gröblich erfolgt sein.(Rn.32)Als gröbliche Verstöße sind insbesondere schwere und wiederholte Verstöße gegen die allgemein anerkannten Grundsätze deutscher Weidgerechtigkeit
anzunehmen. Diese Grundsätze umfassen die normativen Vorgaben sowie die sonst geschriebenen und ungeschriebenen Regeln der Jägerei, die allgemein anerkannt und  bei der Ausübung der Jagd als weidmännische Pflichten zu beachten sind. Generell ist damit auch das Unterlassen der Nachsuche mit geeigneten Hunden als Verstoß gegen die Weidgerechtigkeit zu werten.(Rn.33)

Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.625 € festgesetzt.

Gründe
1 Der Antragsteller wehrt sich u.a. gegen die Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheines und gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse.
2 Sein Antrag, 

3 die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches vom 13.11.2020 gegen den Bescheid vom 11.11.2020 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,

4 bleibt ohne Erfolg. 

5 Hinsichtlich der mit Sofortvollzug versehenen Ungültigerklärung und der Einziehung des Jagdscheines durch Nr. I und VI des Bescheides vom 11.11.2020 kommt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht.

6 Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes.
Hat die Behörde die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet, kommt es darauf an, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens den Verwaltungsakt nicht befolgen zu müssen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des
Rechtsbehelfs wiederherzustellen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, ist zu differenzieren zwischen dem gesetzlich angeordneten Sofortvollzug und den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde. Im letztgenannten Falle bedarf es neben der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides noch eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses, das mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes nicht identisch, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Dieses besondere öffentliche Vollziehungsinteresse ist von der Behörde gemäß § 80 Abs. 3 VwGO besonders zu begründen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.08.1991 – 4 M 109/91 – SchlHAnz. 1991, 220f).

7 Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung unbegründet, da sich die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheines bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist und die Sofortvollzugsbegründung nicht zu beanstanden ist.

8 Die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins nach § 18 iVm § 17 BJagdG unterliegt keinen rechtlichen Bedenken und erweist sich als offensichtlich rechtmäßig. Gemäß § 18 Satz 1 BJagdG ist die Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, in den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheines begründen, nach Erteilung des Jagdscheines eintreten oder der Behörde bekannt werden. Dabei ist der Jagdschein gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BJagdG in der Regel solchen Personen zu versagen, die wiederholt oder gröblich gegen jagdrechtliche oder tierschutzrechtliche Vorschriften verstoßen haben.

9 Vorliegend hat es der Antragsteller als Jagdleiter einer revierübergreifenden Ansitzdrückjagd in den Jagdrevieren XXX und XXX bei dieser Drückjagd, die am XXX stattgefunden hat, auch seine eigene Sachverhaltsschilderung zugrunde gelegt, unterlassen, brauchbare Jagdhunde spätestens am XXX gegen 17.00 Uhr, nämlich nachdem er in seiner Funktion als Jagdleiter der Jagdgesellschaft Kenntnis erhalten hat, dass mindestens ein Stück Schwarzwild krankgeschossen worden war, zumindest für den Folgetag zu organisieren und dadurch die fachgerechte Nachsuche nach zwei Stück krankgeschossenem Schwarzwild (so die Feststellungen der Staatsanwaltschaft im Einstellungsbescheid vom 29.06.2020) vereitelt hat, wodurch er der Verpflichtung nach § 22a Satz 1, 1. HS BJagdG zuwider gehandelt hat, nach der, um krankgeschossenes Wild vor vermeidbaren Schmerzen oder Leiden zu bewahren, dieses unverzüglich zu erlegen ist.

10 Dies stellt einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 27 Abs. 1 LJagdG dar, der regelt, dass bei einer Drückjagd für den jeweiligen Zweck brauchbare Jagdhunde (d.h. Jagdhunde, die eine Brauchbarkeitsprüfung oder eine gleichgestellte Prüfung bestanden haben oder Hunde, die als Fährtenhunde anerkannt sind) in genügender Zahl mitzuführen und zu verwenden sind, sodass eine fachgerechte Nachsuche i. S. von § 23 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 LJagdG von vornherein nicht möglich war.

11 Dieser Verstoß war auch gröblich, da nach den Feststellungen der Behörde ein getroffenes Tier aufgrund der zu spät in die Wege geleiteten Nachsuche gar nicht gefunden werden konnte und eine andere laufkranke Sau erst am XXX gefunden und von ihren Qualen erlöst werden konnte und weil vor diesem Hintergrund die Gesellschaftsjagd vom XXX  ohne die erforderliche Anzahl an Nachsucheführern mit Hunden überhaupt nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Zumindest hätte auf dieser Drückjagd unter der Verantwortung des Antragsstellers als Jagdleiter dieser Gesellschaftsjagd ein anerkanntes Nachsuchengespann auf Abruf in der Nähe vorgehalten werden oder am XXX nach Kenntniserhalt von den Krankschüssen jedenfalls für den Folgetag organisiert werden müssen.

12 Zu Recht geht der Antragsgegner auch davon aus, dass sich der Antragsteller trotz seiner Eigenschaft als Jagdleiter in bedenkenloser Weise über diese zudem nach § 37 Abs. 1 Nr. 14 und 19 LJagdG mit einer Geldbuße bis zu 5.000,00 Euro bußgeldbewehrten Vorschriften des § 23 Abs. 1 und § 27 LJagdG hinweggesetzt hat, da er, obwohl sich die Notwendigkeit einer fachgerechten Nachsuche spätestens am Abend des XXX gegen 17.00 Uhr förmlich aufdrängte, sich nicht unverzüglich um eine fachgerechte Nachsuche nach § 23 Abs. 1 LJagdG bemüht hat, sondern wegen hereinbrechender Dunkelheit, zunächst am frühen Morgen des XXX versucht hat, die krankgeschossenen Tiere mit seiner (aus einer leistungsgeprüften Zucht stammenden) reinrassigen Kleinen Münsterländerhündin zu finden, was nicht nur deshalb erfolglos blieb, weil für den angrenzenden gemeinschaftlichen Jagdbezirk XXX keine Wildfolgevereinbarung nach § 23 Abs. 4 LJagdG bestand und der Antragsteller folglich kein Betretungsrecht hatte, sondern auch, weil es sich bei der Hündin nicht um einen brauchbaren Jagdhund i.S. des § 27Abs. 1 LJagdG handelt . Auch ist der Antragsteller insoweit entgegen § 23 Abs. 2 Ziffer 1 LJagdG seiner Pflicht nicht nachgekommen, das Überwechseln der krankgeschossenen Tiere in den benachbarten Jagdbezirk XXX den Jagdausübungsberechtigten oder deren Beauftragten sowie den von der Nachsuche voraussichtlich berührten weiteren Jagdbezirken unverzüglich anzuzeigen.

13 Nach den Ausführungen des Antragstellers hat anschließend Herr XXX, der Gastgeber der Gesellschaftsjagd, am XXX gegen 10.00 Uhr, damit begonnen, die Bereitstellung eines spezialisierten Nachsuchengespanns abzuklären. Bis 16.00 Uhr war an diesem Tag ein Nachsuchengespann der Schweißhundestation A-Stadt nicht verfügbar. Am XXX war die durchgeführte Suche erfolglos, weil sich ein Tier in einen Schilfgürtel eingeschoben hatte und die zweite Spur nicht zu finden war. Erst am XXX gelang es einem anderen Nachsuchengespann nach intensiver Suche zumindest eine der krankgeschossenen Sauen im Gemeinschaftlichen Jagdbezirk XXX im Bereich „XXX“ mit einem Laufschuss aufzuspüren und von ihren Qualen zu erlösen. Aufgrund des deutlich verspäteten weidgerechten Handelns des Antragstellers lastet der Antragsgegner dem Antragsteller auch zu Recht ein sowohl objektiv als auch subjektiv gesteigertes Fehlverhalten an, sodass eine Ausnahme vom Regelfall nicht vorliegt, denn bei Information der Schweißhundestation A-Stadt waren seit dem Anschuss bereits mindestens 19,5 Stunden verstrichen.

14 Zu Recht geht der Antragsgegner auch von einem wiederholten Verstoß aus, denn der Antragsteller hat eingeräumt, dass er auch bei anderen erforderlichen – schwierigen – Nachsuchen sowohl vor dem hier streitgegenständlichen Vorfall als auch danach, insbesondere für die Nachsuche auf Schalenwild, keinen für die Nachsuche nach § 27 Abs. 1 LJagdG brauchbaren Jagdhund eingesetzt hat, sondern solche Nachsuchen mit seiner Kleinen Münsterländerhündin vorgenommen hat, obwohl § 27 Abs. 1 Satz 1 LJagdG auch bei der Nachsuche auf Schalenwild für den jeweiligen Zweck brauchbare Jagdhunde voraussetzt.
Auch angesichts dieser Sachlage sind besondere Umstände, die ausnahmsweise ein Abweichen von der Regelvermutung zulassen, nicht ersichtlich.

15 Zu Recht führt der Antragsgegner aus, dass der Antragsteller nicht ernstlich davon ausgehen kann, dass die von ihm behauptete Brauchbarkeit durch wiederholte Ausübung der Nachsuche sowie der Vorlage einer Stammtafel und einer Zensurtafel für die Verbandsjugendprüfung der gesetzlich geforderten Brauchbarkeit gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3  LJagdG gleichgestellt ist.

16 Soweit der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 03.12.2020 seinen Vortrag zur Brauchbarkeit der Kleinen Münsterländerhündin weiter vertieft, sind auch diese Ausführungen nicht geeignet, die geforderte Brauchbarkeitsprüfung oder eine gleichgestellte Prüfung zu ersetzen. Ferner wird die Einlassung des Antragstellers, am XXX habe mit dem Kleinen Münsterländerrüden XXX des Herrn XXX, ein geprüfter brauchbarer Jagdhund zur Verfügung gestanden, durch das vorgelegte Schreiben vom 02.12.2020 (Anlage AST 9 zum Schriftsatz des Antragstellers vom 03.12.2020) nicht hinreichend gestützt, da sich daraus die konkrete Einsatzbereitschaft nicht ergibt und offensichtlich dieser Hund ja auch am XXX nicht als solcher verwendet worden ist. Dasselbe gilt für den Kleinen Münsterländerrüden XXX des Herrn XXX, für den zusätzlich fraglich ist, ob er mit der sog. Verbandsstöberprüfung mit einem anerkannten Fährtenhund gemäß § 23 Abs. 3 LJagdG vergleichbar ist.

17 Des Weiteren wird die Einlassung des Antragstellers, dass mit der Schweißhundestation A-Stadt eine Absprache mit dem Inhalt bestanden habe, dass diese „ständig“ auf Abruf bereit sei und die Konkretisierung im Schriftsatz vom 20.12.2020 dahingehend, dass er Herrn XXX immer „nach gewissenhafter Sondierung der Lage“ für eine Nachsuche einschalte und die Schweißhundestation A-Stadt folglich auch am XXX bei der Ansitzdrückjagd auf Abruf bereit gestanden habe, durch die Erklärung des 1. Vorsitzenden der Schweisshundestation XXX, Herrn XXX, entkräftet, der gegenüber dem Antragsgegner in der E-Mail vom 08.12.2020 ( Ag 2 zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 14.12.2020) angab, dass zu der streitgegenständlichen Ansitzdrückjagd keine Anmeldung bzw. Information vorlag. Insoweit hilft auch die Vorabinformation des Schweißhundeführers XXX nicht weiter, der wiederum erst von Herrn XXX benachrichtigt wird, wenn er gebraucht wird.

18 In diesem Zusammenhang ist auch die Stellungnahme des Kreisjägermeisters XXX vom 17.11.2020 unbeachtlich, da unzweifelhaft die von der Kleinen Münsterländerhündin des Antragstellers durchgeführte Vor- und Ansuche nicht die geforderte Nachsuche ersetzt.

19 Nach § 27 Abs. 1 LJagdG sind u.a. bei Drückjagden und bei der Nachsuche auf Schalenwild für den jeweiligen Zweck brauchbare Jagdhunde in genügender Zahl mitzuführen und zu verwenden. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 LJagdG bestimmt die oberste Jagdbehörde die Voraussetzungen für die Brauchbarkeit. Nach Satz 3 gilt ein Jagdhund als brauchbar, wenn er eine Brauchbarkeitsprüfung oder eine gleichgestellte Prüfung bestanden hat.
Die mitgeführten Hunde erfüllten diese Voraussetzungen nicht. Es kommt nicht darauf an, dass diese Hunde andere nicht gleichgestellte Prüfungen absolviert haben, hervorragend und erfolgreich ausgebildet wurden, sich im ständigen Einsatz befinden oder ein hohes Ausbildungs- und Trainingsniveau haben.

20 Unwidersprochen durch den Antragssteller blieb die Feststellung des Antragsgegners,  dass bei der Ansitzdrückjagd am XXX neben dem Hund des Antragstellers nur ein im Sinne des § 27 LJagdG unbrauchbarer Labrador des Jagdausübungsberechtigten und Gastgebers Herrn XXX, ein unbrauchbarer Jack Russel Terrier des Herrn XXX und ein für die Nachsuche auf Schalenwild nicht verwendbarer und damit unbrauchbarer Kleiner Münsterländerrüde des Herr XXX zur Verfügung standen.

21 Dass es zu einer Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Antragsteller gekommen ist, entlastet den Antragsteller im Hinblick auf die Nichtbeachtung der allgemein anerkannten Grundsätze der deutschen Weidgerechtigkeit nicht. Auf den strafrechtlich fehlenden Ursachenzusammenhang der unterlassenen zeitlich rechtzeitigen fachlichen Nachsuche kommt es für die hiesige Entscheidung nicht an.

22 Die behauptete Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegen den Mitpächter XXX vom 15.12.2020 unter dem Aktenzeichen 75025224-SCH ist ebenfalls nicht maßgeblich, da es insoweit um eine unterlassene Schwarzwildstreckenmeldung für das zweite Quartal 2020 ging und nicht um den hier streitigen Vorfall.

23 Auch dem Ausgang des Disziplinarverfahrens des XXX kommt keine weitergehende Bedeutung zu, da dieser Beschluss keine Bindungswirkung für den Antragsgegner hat. 

24 Angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller bis XXX Vizepräsident des Landesjagdverbandes war, stellt der Antragsgegner zu Recht fest, dass eigentlich zu erwarten ist, dass der Antragsteller die jagdrechtlichen Regelungen befolgt. Stattdessen hat er nicht nur gegen gesetzliche Pflichten aus § 23 und 27 LJagdG verstoßen, sondern – wie dieses Verfahren zeigt, in dem er sogar negiert, dass auf der Drückjagd überhaupt auch nur ein Tier angeschossen wurde – keine Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt. 

25 Der Antragsgegner hat die Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 3 VwGO auch unter Punkt 2 d des Bescheides vom Bescheides vom 11.11.2020 ausreichend begründet.
Zu Recht wird darauf abgestellt, dass im öffentlichen Interesse die sofortige Unterbindung der Jagdausübung durch eine den Geboten des Tierschutzes und der Wildhege zuwider handelnde und damit jagdrechtlich unzuverlässige Person Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers hat, als Jagdscheininhaber im Eigenjagdbezirk seiner Tochter, der er den Land- und Forstbetrieb übertragen hat und für das er das Jagdrecht ausübt und als Mitpächter von Eigenjagdbezirken der als Hobby betriebene Jagd (der Antragsteller ist 74 Jahre alt und unwidersprochen Pensionär) nachzugehen. Insoweit als ihm hiernach Verpflichtungen als Jagdausübungsberechtigter, Revierinhaber oder Mitpächter obliegen, kann er diese auf seine Mitpächter oder andere Jagdausübungsberechtigte übertragen oder andere Jäger damit beauftragen. Zu Recht geht der Antragsgegner ferner davon aus, dass es beim öffentlichen Interesse in Bezug auf den Jagdschein um
hohe Rechtsgüter geht, sodass die Anforderungen an eine Begründung des Sofortvollzugs weniger hoch sind und der Sofortvollzug bereits aus der Natur der Sache begründet ist.

26 Der Antrag ist auch unbegründet, soweit er auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den unter Nr. II verfügten Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse zum Besitz der im Bescheid aufgeführten Schusswaffen nebst Munition in Gestalt der Waffenbesitzkarten Nr. XXX, XXX und XXX/XX und des Europäischen Feuerwaffenpasses (EFP) Nr. XXX mangels persönlicher Zuverlässigkeit des Antragstellers gerichtet ist.

27 Gemäß § 45 Abs. 5 WaffG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 keine aufschiebende Wirkung, sofern die Erlaubnis wegen des Nichtvorliegens der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG zurückgenommen oder widerrufen wird. Damit geht das Gesetz von dem Grundsatz aus, dass es im öffentlichen Interesse liegt, den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis sofort wirksam werden zu lassen, sofern die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht mehr gegeben sind, also die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5) oder die persönliche Eignung (§ 6) fehlt.

28 Nach § 80 Abs. 5 iVm § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO kann in diesen Fällen des gesetzlichen Sofortvollzuges nach § 80 Abs. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung angeordnet werden. Die Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht aufgrund einer Interessenabwägung (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 06.08.1991 – 4 M 109/91 -). In diese sind die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs dann maßgeblich einzustellen, wenn sie in der einen oder anderen Richtung offensichtlich sind. An der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kann kein besonderes öffentliches Interesse bestehen. Ist der Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig und liegt – wie  hier – ein Fall des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 45 Abs. 5 WaffG) vor, ist ein Aussetzungsantrag regelmäßig abzulehnen. Lässt sich nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung weder die
Rechtmäßigkeit doch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, so ergeht die Entscheidung aufgrund einer weiteren Interessenabwägung, in der zum einen die Auswirkungen in Bezug auf das öffentliche Interesse in dem Fall, dass dem Antrag stattgegeben wird, die Klage bzw. das Widerspruchsverfahren im Hauptsacheverfahren indes erfolglos bleibt und zum anderen die Auswirkungen auf den Betroffenen für den Fall der Ablehnung seines Antrages und der erfolgreichen Klage bzw. des Widerspruches gegenüber zu stellen sind.

29 Vorliegend ist auch der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis offensichtlich rechtmäßig. 

30 Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Hierzu gehört nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 WaffG die mangelnde Zuverlässigkeit gemäß § 5 WaffG und das fehlende Bedürfnis nach § 8 WaffG. 

31 Dem Antragsteller dürfte nach summarischer Prüfung das waffenrechtliche Bedürfnis nach § 8 BJagdG fehlen. Ein waffenrechtliches Bedürfnis kann zwar grundsätzlich bei Inhabern eines gültigen Jagdscheines im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 BJagdG bestehen
(siehe § 13 WaffG). Da die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheines unter  Anordnung der sofortigen Vollziehung - nach dem zuvor Gesagten – aber offensichtlich rechtmäßig und der Sofortvollzug hinreichend begründet ist, ist das waffenrechtliche Bedürfnis entfallen. Anhaltspunkte für ein anderes Bedürfnis sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

32 Die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitzen u.a. in der Regel solche Personen nicht, die nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Abs. 2 Nr. 1c WaffG genannten Gesetze verstoßen haben. Es muss sich um Verstöße der in Abs. 2 Nr. 1c WaffG abschließend aufgeführten Gesetze handeln, die nicht zwingend strafrechtlicher oder ordnungsrechtlicher Natur sein müssen, soweit der Verstoß wiederholt oder gröblich ist. Hierunter fallen daher nicht „nur“ auch bußgeldbewehrte Rechtsverletzungen auf dem Gebiet des Bundesjagdgesetzes (so die bisher vorläufige Rechtsauffassung der Berichterstatterin laut Hinweis vom 01.12.2020), sondern auf diese Weise können auch nichtsanktionierte Rechtsverletzungen auf dem Gebiet
des Bundesjagdgesetzes in der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit berücksichtigt werden (Gunther/Dietrich/Gade, WaffG, 2. Auflage, Rn. 31 unter Verweis auf BT-Drs. 14/8886, S. 110), soweit sie einen wiederholten oder gröblichen Verstoß gegen das Bundesjagdgesetz darstellen.

33 Als gröbliche Verstöße sind gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 1 Abs. 3 BJagdG BJagdG schwere und wiederholte Verstöße gegen die allgemein anerkannten Grundsätze deutscher Weidgerechtigkeit abzunehmen. Ein Jäger handelt weidgerecht, wenn er die geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze und Regeln über die Ausübung der Jagd, zum Schutz des Wildes und der Natur und zur Erhaltung und Fortentwicklung des Wildes beachtet. Diese Grundsätze umfassen die normativen Vorgaben sowie die sonst geschriebenen und ungeschriebenen Regeln der Jägerei, die allgemein anerkannt und bei der Ausübung der Jagd als weidmännische Pflichten zu beachten sind. Generell ist damit auch das Unterlassen der Nachsuche mit geeigneten Hunden als Verstoß gegen die Weidgerechtigkeit zu werten (in Bezug auf die in § 22a BJagdG normierte Pflicht zur Nachsuche, vgl. Schuck, Kommentar zum Bundesjagdgesetz, 3. Auflage 2019, § 17 Rn. 50). Insoweit sehen die §§ 38 bis 39 BJagdG zwar keine Sanktionen bei der Nichtbefolgung der nach § 22a BJagdG gebotenen Nothilfe vor. Deren Unterlassung stellt im allgemeinen aber einen schweren Verstoß gegen die Grundsätze der deutschen Weidgerechtigkeit dar, der nicht nur die Versagung oder Entziehung des Jagdscheines nach § 17 Abs. 2 Nr. 4, 18 BJagdG zulässt (Mitzschke/Schäfer, Kommentar zum BjagdG, § 22a Rn. 11), sondern auch als ein gröblicher Verstoß gegen das Bundesjagdgesetz im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 2 Nr. 1c WaffG zu werten ist, da es sich dem Antragsteller als verantwortlichem Jagdleiter der Gesellschaftsjagd bereits am XXX gegen 17.00 Uhr geradezu hätte aufdrängen müssen, dass er unverzüglich ein Nachsuchengespann für den Folgetag hätte organisieren müssen. Diese Verpflichtung beruht zwar „nur“ auf jagdrechtlichen Grundsätzen, rechtfertigt aber gleichwohl auch die Annahme der waffenrechtlichen Regelunzuverlässigkeit, weil dem Antragsteller die Nutzung von Waffen durch das Krankschießen und die nicht zeitnah fachgerechte Nachsuche, also der jagdrechtlich nicht sachgerechte Umgang mit der Waffe, als verantwortlicher Jagdleiter dieser Gesellschaftsjagd zuzurechnen ist.

34 Des Weiteren dürfte auch ein wiederholter Verstoß gegen diese Verpflichtungen des Bundjagdgesetzes anzunehmen sein, da der Antragsteller selbst angibt, sowohl vor als auch nach dem hier streitigen Vorfall seine Kleine Münsterländerhündin für schwierige Nachsuchen, insbesondere auf Schalenwild, einzusetzen.

35 Angesichts dieser Sachlage sind auch waffenrechtlich besondere Umstände, die ausnahmsweise ein Abweichen von der Regelvermutung zulassen, nicht ersichtlich.

36 Die übrigen Anordnungen erweisen sich nach dem oben Gesagten ebenfalls als rechtmäßig und sind von der Behörde in Nr. VII des Bescheides auch in Bezug auf die Nrn. IV und V des Bescheides mit Sofortvollzug versehen worden.

37 Die Rückgabe der Erlaubnisurkunden nach § 46 Abs.1 WaffG in Nr. IV ist die zwingende gesetzliche Folge beim Widerruf der Waffenbesitzkarten. Die Rückforderung erfolgt durch Verwaltungsakt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 52 Rn. 12).

38 Auch die weiteren vorgenommenen Anordnungen in dem angefochtenen Bescheiden vom 11.11.2020 in Nr. V sind voraussichtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere hat der Antragsgegner sein Ermessen nach § 46 Abs. 2 S. 1 WaffG, wonach die Behörde anordnen kann, dass jemand binnen angemessener Frist seine Waffen und Munition unbrauchbar macht oder diese einem Berechtigten überlässt, wenn diese aufgrund einer Erlaubnis erworben worden sind, welche widerrufen wurde, voraussichtlich rechtmäßig ausgeübt.
39 Die weiterhin angedrohte Sicherstellung des Jagdscheines und der Waffen nebst Munition bei Nichtüberlassen oder des Verzichts der Unbrauchbarmachung in Nr. VI richtet sich nach § 46 Abs. 2 S. 2 WaffG. Demnach besteht für die Behörde nach der nicht genutzten Wahlmöglichkeit aus § 46 Abs. 2 S. 1 WaffG die Möglichkeit der Sicherstellung und Verwertung. 

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