Technische Hilfsmittel auf der Jagd – weidgerecht oder nicht?
5. Mai 2024
Jagdtechnik und Weidgerechtigkeit – ziemlich beste Freunde, oder?
Dr. Wolfgang Lipps
Forum Lebendige Jagdkultur
Vortrag auf der Jahrestagung vom 3. bis 5. Mai 2024
Vom Steinbeil zur Jagddrohne
Vor ungefähr 1,7 Millionen Jahren wurde, in einem sehr langen und langsamen Prozess, der homo erectus zum Jäger [1]. Damit setzte, wie wir in den großartigen Büchern von Dieter Stahmann [2] lesen können, die Entwicklung zum homo sapiens und damit zum modernen Menschen ein – am Anfang war die Jagd!
Aber zunächst mal war unseren Vorfahren klar, dass die Tiere, die sie erlegen wollten, nahezu alle besser gucken, besser hören, super riechen und vor allem zumeist erheblich schneller laufen können als sie – davon, dass sie im unmittelbaren Kontakt übel beißen oder stoßen, gar nicht erst zu reden.
So lernte der Mensch gerade durch die und bei der Jagd als erstes: was man nicht in den Beinen hat, muss man im Kopf haben! Um das Sprichwort mal umzudrehen. Die Vorteile der Tiere musste man also mit schlauen Hilfsmitteln ausgleichen – das nennen wir die Jagdtechnik.
Vor ca. 2,6 Mio. Jahren erscheint der Faustkeil, noch keine Jagdwaffe aber als Werkzeug sicherlich das Schweizer Taschenmesser der Hominiden [3]. Am Anfang der Jagd kam sicherlich zuerst die Fallgrube und dann das Netz für kleine Tiere.
Aber ein Quantensprung der Technik war dann der Wurfspieß – die sog. Schöninger Speere sind die ältesten vollständig erhaltenen Jagdwaffen der Welt [4]. Schon vor 300 000 Jahren waren Frühmenschen Meister im Umgang mit Holz. Die nächste erstaunliche Erfindung war das Wurfholz [5] für den stärkeren und weiteren Speerwurf. Und geradezu genial war die Erfindung von Pfeil und Bogen [6] – einer bis in die Neuzeit ständig, zuletzt über die Armbrust [7], weiterentwickelten Distanzwaffe. Die wurde erst von den Feuerwaffen abgelöst, und das nicht einmal ganz.
Das alles aber sind Jagdtechniken, die letztlich nur dazu dienten, die natürlichen Fähigkeiten des Wildes, die dem Menschen weit überlegen sind, auszugleichen. Noch immer hören Tiere besser als wir, wenn wir ein Revier eher leerpirschen statt leer jagen, und riechen uns, ohne dass wir sie sehen. Und in „tiefer schauervoller Nacht“ [8] sind sie uns ohnehin haushoch überlegen – bis vor kurzem jedenfalls.
Denn heute stellen wir fest, dass die Jagdtechnik einen Sprung nach vorn gemacht hat. Zielfernrohre messen Entfernungen und Flugbahnen, Nachtzielgeräte sehen im Dunkeln [9], Wildkameras sehen dauernd alles, Drohnen spüren Wild auf und treiben es sogar. Das Dickicht wird licht, die Nacht wird erhellt, das Wild hat letztlich keine Chance mehr.
„Jagdtechnik – wenn die Jagd keine Jagd mehr ist“.
So überschreibt der Autor Simon Abeln in „JagdErleben“ einen Artikel [10] und meint: „Der Klimawandel und der Zwang nach jagdlichen Erfolgen erhöht den Druck auf Jäger und Jägerinnen. Technik droht die Waidgerechtigkeit zu untergraben. Wie weit wollen wir Jäger gehen?“ Und dann zitiert er Ortega y Gasset mit den Worten: „Zwischen Mensch und Tier gibt es eine feste Grenze, wo die Jagd aufhört, Jagd zu sein, und zwar dort, wo der Mensch seiner ungeheuren technischen Überlegenheit über das Tier freien Lauf lässt.“ (weiterlesen)

Foto: Südtiroler Jagdportal

