Streitthema Wolfsabschuss: Eine Frage der Abwägung
EuGH, Urteil vom 12.06.2025
Redaktion beck-aktuell, Britta Weichlein, 12. Juni 2025.
Immer wieder reißen Wölfe Weidetiere, gleichzeitig stehen sie in Europa unter Schutz. Fraglich ist, wie die widerstreitenden Interessen zum Ausgleich zu bringen sind. In einem Fall aus Estland hat sich jetzt der EuGH damit beschäftigt.
Der Wolf stand bisher in der EU unter strengem Schutz. Doch dieses Jahr wurde sein Schutzstatus gesenkt, er ist nach der Habitatrichtlinie nun nur noch "geschützt". Damit soll den Mitgliedstaaten ein flexibleres Management der Wolfspopulationen ermöglicht werden. Will heißen, es soll einfacher sein, Wölfe abzuschießen.
Für die estnische Wolfspopulation galt auch zuvor bereits ein geringerer Schutz, "Entnahmen" waren gemäß Art. 14 der Habitatrichtlinie unter bestimmten Voraussetzungen möglich, wobei auf einen günstigen Erhaltungszustand der Tierart zu achten war, Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie.
Nachdem das estnische Umweltamt für die Jagdsaison 2020/2021 den ersten Teil der Wolfsjagdquote auf 140 Exemplare festgelegt hatte, stellte eine estnische Umweltschutzvereinigung genau das aber infrage: der Erhaltungszustand des Wolfs in Estland sei gerade nicht "günstig".
Wann ist ein Erhaltungszustand "günstig"?
Aber wann ist der Erhaltungszustand einer Art als günstig zu bewerten? Dies knüpft Art. 1 Buchst. i Abs. 2 der Habitatrichtlinie an drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen. Erstens muss aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen sein, dass diese ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraums, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird. Zweitens darf das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnehmen noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen. Drittens muss ein genügend großer Lebensraum vorhanden sein und wahrscheinlich weiterhin vorhanden sein, um langfristig ein Überleben der Populationen der betreffenden Art zu sichern. (weiterlesen)


