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Das Wildschwein – wie Hausschlachtung nur alles bio und...
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8 Antworten Gepostet in Retriever - jagdlich geführt
- Zuviel Wild im Wald oder zu wenig Akzeptanz der Forstwirte und Waldbauern? Geduld ;) das muss man lernen....
Stefan Fügner
Diskussion gestartet von Stefan Fügner vor 7 Jahren
Einige der älteren Hobbyköche mit Kontakt in die kleinbäuerliche
Landwirtschaft kennen es noch: Die Hausschlachtung. Kein Bauer, der sich
nicht 2-3 Schweine hielt, um sich als Selbsversorger mit
Schweinefleisch zu versorgen.
Selbst die Bäckerei meiner Tante im Badischen Odenwald hielten sich 2
Schweine, um sie mit der Kleie der Bäckerei und den nichtverkauften
Brotresten zu füttern.
Diese Bäckerschweine hatten einen vorzüglichen Geschmack und waren bei den Metzgern hochbegehrt!
Und auch das Fleisch des Wildschweins, dass sich vor allem im Herbst
mit Hülsenfrüchten fett frisst, ist geschmacklich in keinster Weise
mit einem Hausschwein zu vergleichen. Nur selten unterscheiden sich
Bioprodukte geschmacklich derart deutlich von konventionell
hergestellten Lebensmitteln wie beim Hausschwein/Wildschwein. Selbst
Menschen, die mit der Küche wenig zu tun haben und keinerlei
Fachkenntnisse besitzen, können den Unterschied zwischen dem
biologischen Wildschweinfleisch und Fleisch aus Massentierhaltung sofort
und ohne zu zögern herausschmecken. Wobei es anzumerken gilt, dass
Wildschweinfleisch in keinster Weise den vom Reh bekannten
Wildeigengeschmack besitzt.
Und auch optisch kann man leicht den Unterschied erkennen. Das
Wildschweinfleisch ist tiefrot, das Fett ist sehr hart, ohne
Wasseranteile und lässt sich leicht mit Daumendruck vom Fleisch trennen.
Das Wildschweinfleisch schmeckt genauso, wie das Fleisch vom Hausschwein, nur wesentlich besser!
Der Jäger hat im Angebot:
Frischling (etwa ½ Jahr) 15 kg - 20 kg
Überläufer (über ½ Jahr) 30 kg - 40 kg
Adulte Bachen und Keiler über ein Jahr (40kg - 100 kg)
Preislich wird der Überläufer oder Frischling als leicht
portionierbares „Marzepanschweinchen“ hoch gehandelt, da er auch gerne
im Sommer im Ganzen gegrillt oder in den Steinofen geschoben wird. Der
Preis liegt, ähnlich wie beim Reh, bei etwa 4 Euro/kg.
Ich persönlich verlasse mich geschmacklich auf eine alte Bauernregel
die da lautet: „Ein Schwein muss einmal Geburtstag gehabt haben, bis es
geschmacklich schlachtreif ist.“
Eine starke Bache wiegt aufgebrochen mit Haupt 70 kg und kann, wenn
man einen Partner hat, (Großfamilien sind heute eher selten) der sich
die Sau mit einem teilt, nicht nur als Bratenteile, sondern auch zu
Wurst und Schinken verarbeitet werden. Auch wird es oft schon für 2,50
Euro/kg - 3,50 Euro/kg abgegeben, also kaum teurer als ein normales
Hausschwein.
Das Abschwarten und Zerwirken schafft der routinierte Jäger in einer
Stunde und wird auch gerne vom Jäger gegen einen Aufpreis übernommen.
Bei mir erfolgt die Portionierung eines solchen 70 kg Sau wie folgt:
Aus den 2 ausgelöste Lachsen des Rückens mache ich zur einen Hälfte
eingelegte Steaks und aus dem anderen Lachs mache ich
Wildschweinrouladen. Die Streifen werden geklopft, mit Senf bestrichen
und nach belieben mit Gurke, Wurzelgemüse oder Speck gefüllt und
gerollt.
Die 2 Filetstränge gibt es am Abend der Verarbeitung in Medallions
geschnitten, scharf angebraten (außen kross innen blutig) und sind mit
selbstgemachter Cocktailsauce und Bagettebrot für den Helfer und mich
das Abendbrot.
Das Fleisch des Nackens wird zu Gulasch verarbeitet oder es wird mit
dem Bauchfleisch vermischt und zu Wildschweinhackfleisch verarbeitet
und portionsweise vakuuminiert.
Wenn das Bauchfleisch übrig bleibt, weil der Nacken das Gulasch
liefern muss, kann man aus dem Bauchfleisch, wenn die Rippen
herausgelöst sind, einen hervorragenden Rollbraten machen.
Die Keulen werden entbeint und gedrittelt. Vorderschale,
Hinterschale und Nuss geben pro Keule jeweils 3 Bratenteile von etwa 1,5
kg -2,0 kg.
Die ausgebeinten Knochen kommen zum Auskochen 15 Stunden in einem
mit Wasser gefüllten Topf und liefern etwa 5 Liter besten
Wildschweinfond für die Bratensoßen der Bratenteile.
Wenn alles als Fleisch und Hackfleisch ohne Knochen vakuuminiert
ist, bleibt von der Sau mit 70 kg gerade noch 30 kg reines Fleisch
übrig. 2 Fächer im Tiefkühlschrank sind gefüllt und die Sau ist
verschwunden.
Wer sich einen Vorrat an Würsten, Knackern und Schinken anlegen
will, der nimmt eine Keule, den Nacken und das Bauchfleisch und bringt
es zum Metzger, der übernimmt dann ganz nach Wunsch die Verarbeitung zu
Würsten oder Schinken.
Ich zahle im Lohn für die Würste und Schinken auf das angelieferte
Fleisch 3,00 Euro/kg, wobei beim Entbeinen und Räuchern fast 50 %
verloren geht.
Übrigens: Wer vom Wildschwein noch nicht überzeugt ist, der probiere einmal Wildschweinnussschinken!
Geschmacklich kann man bei der Wurst auch 10-20% Hausschwein
dazumischen, vor allem, wenn die Wildsau nicht Fett genug ist, braucht
man Hausschweinfett zum Stabilisieren der Wurst. Die Metzger haben immer
viel Freude daran und bringen ihre eigenen Kenntnisse, vor allem beim
Würzen, gerne ein.
Immer wieder experimentieren Jäger mit dem Herstellen von Schinken
und Wurst anderer Wildarten. Ich persönlich sehe wirklich guten
Geschmack nur bei der Verarbeitung von deutlich über einjährigen
Wildschweinen. Dem Fleisch von jungen Tieren oder anderem Wild fehlt es
dem für den Geschmack notwendigen Fettanteilen.
Aber das ist wie immer reine Gechmacksache.
Stefan